Das musst du über Hookless-Laufräder wissen ​

Die Vor- und Nachteile von Hookless ​
Was du über Hookless-Laufräder wissen ​solltest

Zuletzt aktualisiert am 18.03.2024
Hookless Felge Rennrad Schwalbe
Foto: Schwalbe

Was genau bedeutet Hookless?

Eine Hookless-Felge kommt hakenlos – sie weist also am oberen Rand der Felgenwand kein Felgenhorn auf, unter das der Reifen "einrastet" und so auf der Felge hält. Markant sind daher die senkrechten Flanken der Felge. Der Reifen hält hier durch einen speziell geformten Wulstkern auf der Felge – die Sicherheit dieser Verbindung hängt jedoch vom korrekten Zusammenspiel aus Reifenbreite, Felgen-Innenmaulweite und dem Luftdruck im Reifen ab.

Hookless Felge Rennrad Gravelbike
Reynolds

Welche Vorteile bietet Hookless?

Hakenlose Felgen sind in der Regel einige Gramm leichter als ein baugleiches Modell mit einem Felgenhorn, da sie auf ebendieses verzichten. Radsportler profitieren damit von einem etwas geringeren Gewicht an ihren Laufrädern. Für die Industrie ist Hookless vor allem deshalb lukrativ, da sich die Felgenform laut Aussagen mehrerer Hersteller vor allem bei Carbon-Laufrädern einfacher und kostengünstiger produzieren lässt. Einige Hersteller bewerben ihre Hookless-Laufräder damit, dass der Übergang zwischen Reifen und Felge einen besseren Luftstrom schaffen soll und somit schneller macht.

Welche Nachteile hat Hookless?

Hookless-Felgen dürfen lediglich mit schlauchlosen Tubeless-Reifen gefahren werden, nicht aber mit herkömmlichen Tube-Type-Reifen (siehe auch Frage unten). Fahrer, die nicht auf den Schlauch verzichten wollen, müssen an hakenlosen Felgen dennoch auf die i. d. R. etwas schwereren und teureren Tubeless-Reifen setzen und einen Schlauch einlegen. Die Obergrenze für den Luftdruck liegt aktuell bei maximal fünf Bar gemäß der European Tire and Rim Technical Organization (ETRTO). Gerade für große, tendenziell schwerere Fahrer, die in der Regel am Rennrad mehr Luftdruck benötigen, kann Hookless daher weniger geeignet sein.

Nach langjähriger ROADBIKE-Erfahrung gestaltet sich auch die Montage von Tubeless-Reifen auf Hookless-Felgen etwas schwieriger. Denn der Pneu springt nicht so leicht in die Felge, das typische "Ploppen" eines Tubeless-Reifens gelingt nicht immer rundum gleichmäßig. Dann muss der Reifen oft mit viel Kraft von Hand gewalkt werden oder auf einen hohen Druck jenseits der maximal zulässigen 5 bar gebracht werden, bis er richtig "einrastet". Diesen Druck sollte man nach erfolgreicher Montage jedoch unbedingt wieder auf max. 5 bar reduzieren.

Welche Reifen sind Hookless-kompatibel?

Hookless-Felgen dürfen ausschließlich  mit Tubeless-fähigen Reifen bestückt werden – selbst, wenn diese nicht tubeless, sondern mit eingelegtem Schlauch gefahren werden. Klassische Tube-Type-Reifen sind also für Hookless-Felgen nicht freigegeben! Denn Tubeless-Reifen sind am Reifenwulst so konzipiert, dass sie möglichst dicht mit der Felge abschließen. Daher ist die Auflagefläche an der Felgenwand so geformt, dass der Reifen auch ohne Haken in der Felge hält – wenn die Voraussetzungen zwischen Innenmaulweite der Felge und laut European Tire and Rim Technical Organization (ETRTO) vorgegebener Reifenbreite erfüllt sind. Tube-Type-Reifen vermissen diesen speziell geformten Wulstkern. Zudem darf der maximale Reifendruck auf einer Hookless-Felge in der Regel 5 Bar nicht überschreiten. Hier gilt es, die Angaben des Laufrad- und Reifenherstellers gründlich zu checken und diese stets einzuhalten!

Welche Reifen/Felgen-Kombinationen kann ich Hookless fahren?

Die European Tire and Rim Technical Organization (ETRTO) macht genaue Vorgaben, welche Reifenbreiten und Luftdrücke für welche interne Felgenweite zugelassen sind. Denn ein Reifen biegt sich mit zunehmendem Luftdruck auf und "wandert” dann mit dem Wulstkern die Felgenwand hinauf. Fehlt wie an einer Hookless-Felge das Felgenhorn, kann der Reifen durch einen zu hohen Luftdruck abspringen. Die Gefahr besteht auch, wenn der Reifen zu schmal für die Felge ist und so weniger Kraft auf die Felgenwand bringen kann.

Grundsätzlich gilt: Zusätzlich zu den ETRTO-Vorgaben am besten die Herstellerangaben des Laufradbauers sowie des Reifenproduzenten checken. Diese machen in der Regel auf ihrer Homepage detaillierte Angaben bezüglich der freigegebenen Kombinationen aus Innenmaulweite, Reifenbreite sowie maximalem Luftdruck. Diesen Vorgaben solltest du unbedingt Folge leisten, da sonst ein sicherer Halt des Reifen auf der Felge nicht gewährleistet werden kann – bei einem Defekt kann der Reifen im schlimmsten Fall abspringen und du baust einen schmerzhaften Unfall.

Warum stehen Hookless-Laufräder in der Kritik?

Spätestens seit dem Sturz von Radprofi Thomas De Gendt auf der 5. Etappe der UAE-Tour 2024, als der Belgier bei hoher Geschwindigkeit stürzte, war die Aufregung um Hookless-Setups groß. Die Bilder von seinem Orbea-Rennrad mit dem von seinen Zipp-353-NSW-Laufrädern abgesprungenem Vittoria-Vorderreifen und umher gespritzter Tubeless-Dichtmilch gingen um die Welt. Selbst Fahrer-Vereinigungspräsident und Ex-Profi Adam Hansen, eigentlich bekannt als Tüftler und Befürworter neuer Technologien, forderte prompt ein Hookless-Verbot durch den Radsportweltverband UCI, da er die Sicherheit der Fahrer gefährdet sah. Denn auch bei anderen Rennen wie bei Paris–Roubaix waren bereits ähnliche Pannen zu beobachten, als sich bei Reifenschäden der komplette Reifen von der Felge löste.

Die bei der UAE-Tour betroffenen Ausrüster Vittoria und Zipp betonten im Nachgang, dass der Schaden bei Thomas De Gendt auf einen mit dem Vorderrad getroffenen Stein zurückzuführen sei, der die Felge beschädigt habe und so den Absprung des Reifens verursacht habe. Zudem betonte Zipp, dass alle ausgestatteten Teams erneut angehalten wurden, bei einer 25er-Felgen-Innenmaulweite auf mindestens 29 mm breite Reifen zu setzen. Eine Vorgabe die 2023 eingeführt wurde – zuvor waren 28er-Reifen auf einer 25er-Innenmaulweite zugelassen, wie sie auch bei Thomas De Gendt's Rad laut seinem Team während der UAE-Tour gefahren wurden. Auch wenn Zipp betont, dass der Sturz nicht auf die zu kleine Reifengröße zurückzuführen sei, fühlen sich zahlreiche Kritiker bestätigt, dass durch eine falsche Kombination von Laufrädern und Reifen eine Gefahr von Hookless-Systemen ausgehe.

6th UAE Tour 2024 - Stage 5
Tim de Waele / Getty Images

Das sagen die Experten zu Hookless (Stand: März 2024):

Pro Hookless

Sebastian Breuer (Gravel-Profi und Team Liaison Manager beim deutschen Reifenhersteller Schwalbe): "Hookless ist von Grund auf erst mal kein Problem, solange es richtig verwendet wird. Auch ich fahre teilweise Hookless, achte aber immer darauf, ausschließlich für Hookless freigegebene Reifen zu nutzen. Ein Reifen mit der Bezeichnung "Tube Type" sollte hier niemals verwendet werden, der Kern ist schlichtweg zu weich (nicht hochfest) um vernünftig in der Felge zu sitzen. Hookless ist mit dem richtigen Reifen und dem richtigen Luftdruck (bis max. 5 Bar) kein Problem. Meine drei Kollegen neben mir am Schreibtisch aus der Entwicklung, Peter, Jakob und Felix bringen inzwischen mehr als 14 Jahre Erfahrung im Bereich Tubeless mit und ich bin froh, dass wir hier immer wieder die Köpfe zusammenstecken, um neue Ideen umzusetzen. Ich selbst setze seit mehr als sechs Jahren auf Tubeless und war auch schon auf dem Pflaster von Roubaix mit Hookless unterwegs. Es gibt also keinen Grund, sich wegen Tubeless Sorgen zu machen, solange man auf die richtige Kombination achtet."

Alvise Rizzi (European Communication Specialist bei Sram, Dachfirma von Laufradhersteller Zipp): "Wir werden uns weiterhin für Hookless-Laufräder einsetzen, da sie dem Fahrer alle Vorteile bieten: deutlich reduzierte Preise im Einzelhandel, eine leichtere Tubeless-Montage, ein deutlich geringeres Laufrad-Gewicht und insgesamt eine höhere Leistung in jeder Hinsicht. Wir begrüßen zwar den öffentlichen Diskurs zur Verbesserung der Fahrersicherheit und die Überprüfung der branchenweit erforderlichen Mindestteststandards, lehnen jedoch die Vorwürfe ab, dass die jüngsten Vorfälle auf das Hookless-Felgendesign oder die Sicherheitsstandards für Zipp-Räder zurückzuführen seien."

Contra Hookless

Ralf Eggert (Road Marketing Manager beim Laufradhersteller DT Swiss): "Im Hochdruckbereich (Rennrad, Reifenbreiten < 35 mm) setzen wir ausschließlich auf Hakenfelgen (TC), um eine hohe Produktsicherheit für Endverbraucher zu erreichen. Bei Aerodynamik und Rollwiderstand sehen wir zudem absolut keine Nachteile bei Hakenfelgen – auch nicht in Bezug auf den Carbon-Fertigungsprozess. Es ist fast unmöglich, einen Reifen von einer Hakenfelge, aufgrund des gegebenen Designs, ungewollt zu entfernen. Potenzielle Gefahren lauern vorwiegend in einem Fehlgebrauch von hakenlosen Reifensystemen, so z. B. bei der Überschreitung von Luftdrücken bei bestimmten Reifen/Felgen-Kombinationen. Und selbst wenn ein Konsument alles richtig macht, kann der maximale Luftdruck von 5 Bar (Hookless) in normal temperierten Innenräumen durch die unkontrollierte Überhitzung in der Sonne und auf heißen Straßen sehr leicht überschritten werden. In diesen Fällen kann ein sicherer Sitz des Reifens nicht mehr gewährleistet werden und dieser sich ungewollt von der Felge ablösen."

Stefan Loibl (Marketing Manager beim Laufradhersteller Newmen): "Bei Rennrad-Laufrädern bieten wir keine hakenlosen Felgen (mehr) an. Denn im Gegensatz zu MTB und Gravel ist hookless bei den hohen Luftdrücken am Rennrad nicht sicher! Seit 2017 haben wir uns sehr intensiv mit Berstdruck-Prüfungen verschiedener Reifen- und Felgenkombinationen in unserem hausinternen Testlabor beschäftigt. Das hat dazu geführt, dass wir uns bereits 2018 entschieden haben, einen freiwilligen Rückruf unserer Hookless-Rennradfelgen durchzuführen. Mittlerweile haben wir für die Berstdruck-Prüfung einen eigenen Teststandard entwickelt, der an die Felgen-Reifen-Kombination deutlich höhere Anforderungen stellt als das Standard-Testverfahren (DIN ISO 4210). Aufgrund der Erkenntnisse unserer Labortests distanzieren wir uns bei Newmen von hakenlosen Felgen bei Rennrad-Laufrädern, um maximal sichere Produkte anzubieten. Und ganz nebenbei sehen wir bei Windkanal-Tests und CFD-Simulationen auch keine aerodynamischen Vorteile für hakenlose Felgen mit gängigen Rennrad-Reifen."